An diese Darstellung schließt sich eine dreifache Wertung an:
Aus dieser Bewertung (,,all das mitbedacht``) ergibt sich für Luhmann die Frage, von was das Subjekt, das nach Luhmann ,,mit Einmaligkeitsprätentionen`` auftritt, ohne daß er einen Beleg dafür anführt, ,,sich selbst unterscheidet: von der Welt? von Objekten? von anderen Subjekten? Oder nur von sich selbst, vom Nicht-Ich`` (Luhmann , 1997: 870). Mit anderen Worten: Luhmann stellt den Subjektbegriff bzw. die Abgrenzung zwischen Subjekt und Außenwelt unter Ideologieverdacht, wie in der nächsten Passage deutlich wird.
Es lohnt sich, den unmittelbar folgenden Satz zu zerlegen: ,,Wenn man``, so schreibt Luhmann, ohne daß klar ist, auf wen sich das Pronomen bezieht - Kant, dessen Interpret Luhmann oder die Subjektphilosophie schlechthin - ,,das (transzendentale) Subjekt so versteht, daß es nur von sich selbst abhängt...`` (Luhmann , 1997: 870). Luhmann führt hier also in Form eines Konditionalsatzes eine Bedingung für das Folgende an, wobei unklar bleibt, ob und in wessen Denken diese Bedingung erfüllt ist, und nennt dementsprechend auch keine Textstelle, auf die er sich bezieht. Ist diese Bedingung - Abhängigkeit des Subjekts ,,nur von sich selbst``, was immer unter diesem ,,abhängen`` genau zu verstehen ist, erfüllt, so folgt nach Luhmann daraus, daß man6 ,,das Problem des In-der-Welt-Seins in ein Problem des In-sich-selbst-Seins [transformiert]`` (Luhmann , 1997: 870). Was genau unter diesen beiden Problemen und der Transformation des einen in das andere zu verstehen ist, geht meines Erachtens aus dem Text nicht klar hervor. Zu erkennen ist jedoch der Bezug auf den weiter oben von Luhmann angesprochenen ,,,re-entry` der Unterscheidung in sich selbst`` (Luhmann , 1997: 869). Aus dieser Transformation wiederum folge, so Luhmann, daß ,,das Subjekt irreflexiv wird in Bezug auf die primären Unterscheidungen7, denen es die Möglichkeiten des Beobachtens verdankt`` (Luhmann , 1997: 870). Unabhängig davon, ob dieser Schluß zwingend erscheint, ist auch an dieser Stelle keinerlei Bezug mehr zu Kants Text zu erkennen.
Die folgenden drei Sätze dienen im wesentlichen der Explikation dieses ,,irreflexiv`` Werdens: Das Subjekt kann ,,insoweit`` (also in Bezug auf die ,,primären Unterscheidungen``) die ,,eigene Einbettung - sei es in die Welt, sei es in die Gesellschaft8 - nicht mehr reflektieren`` (Luhmann , 1997: 870). Es wird, aus welchen Gründen auch immer, ,,unterscheiden müssen`` zwischen den ,,Bedingungen der Möglichkeit des Beobachtens`` und dem, was ,,andere ihm dann als Ideologie, als historische Bedingtheit, als ,male bias` usw. zurechnen`` (Luhmann , 1997: 870). Was hier mit ,,müssen`` gemeint ist, ist zumindest nicht in einem offensichtlichen Sinne klar: Muß das Subjekt aus seiner eigenen Logik heraus annehmen, daß seiner Erkenntnisfähigkeit Schranken gesetzt sind, es aber nicht den von außen unterstellten Kontingenzen unterworfen ist? Oder handelt es sich hier um eine weitere ,,Unterscheidung`` im Luhmannschen Sinne, die sich zwingend aus der Systemeigenschaft ergibt? Der Text gibt auf diese Frage keine Antwort. Entscheidend für Luhmann ist wohl nur, daß das Subjekt der Subjektphilosophie, so wie er es in den Texten Kants zu erkennen glaubt, die eigene Kontingenz zumindest ,,nicht voll9 reflektieren kann`` (Luhmann , 1997: 870). Woraus dann wiederum folgt, daß dem Subjekt ,,nur noch die Möglichkeit bleibt, sich selbst dogmatisch vorauszusetzen`` (Luhmann , 1997: 870). Jeglicher Textbeleg für diese These fehlt.