An dieser Stelle nun erfolgt ein konkreter Bezug auf Kant, nämlich auf das Hauptstück über den Schematismus. Kant habe damit ,,zwar (...) den Versuch unternommen, das Problem des Verhältnisses von Außenwelt und Erkenntnis im Subjekt selbst zu lösen`` (Luhmann , 1997: 869). Die Lösung liege aber ,,ganz im Bereich der Subjektivität, nämlich im Verhältnis des inneren Sinnes zu den Vorstellungen des Verstandes - und nicht im Verhältnis des Subjektes zur Außenwelt`` (Luhmann , 1997: 870). Damit ist das Problem, das Luhmann in der Subjektphilosophie sieht, zumindest etwas deutlicher umrissen: Er stellt die Frage, inwieweit ein Subjekt eine Umwelt, in die es ,,eingebettet`` ist, objektiv erkennen kann.
Bevor er zu diesem Schluß kommt, referiert Luhmann jedoch sein Verständnis des Schematismus-Kapitels. Kant, so Luhmann, versuche das ,,Problem des Verhältnisses von Außenwelt und Erkenntnis im Subjekt selbst zu lösen``, indem er einen ,,,re-entry``` der ,,Unterscheidung`` in sich selbst vornehme (Luhmann , 1997: 869). Der Sinngehalt dieser Formulierung erschließt sich nicht ohne weiteres: Was genau meint Luhmann damit, daß die Unterscheidung (zwischen Subjekt und Nicht-Subjekt?) in sich selbst wieder aufgenommen wird? Am ehesten scheint diese Passage im Sinne eine fortschreitenden Differenzierung interpretierbar zu sein: Das Subjekt unterscheidet zwischen sich und der Umwelt und differenziert dann bei der Reflexion seiner selbst zwischen weiteren Bestandteilen.
Dieser Schluß muß sich allerdings auf eine Kette von Spekulationen stützen: Luhmann versteht das Subjekt anscheinend als eine Art System, das entsprechend der Luhmannschen Denkfigur mit einer binären Unterscheidung, vermutlich der zwischen Subjekt und Nicht-Subjekt, worunter dann ein Objekt zu verstehen wäre, ,operiert`. Wenn das Subjekt-System nun sich selbst als Betrachter seiner Außenwelt zum Gegenstand seiner Betrachtungen macht, mit anderen Worten eine Erkenntnistheorie entwickelt, wird es für sich selbst zum Objekt. Damit liegt jenes Phänomen vor, das in Luhmannscher Terminologie als ,,re-entry5`` bezeichnet wird: ,,Der Begriff des re-entry bezeichnet die Fähigkeit autopoietischer Systeme [...] diese Unterscheidung in sich selbst einzuführen und zur Strukturierung der eigenen Operationen zu verwenden`` (Baraldi/Corsi/Esposito , 1998: 152).
Den Kern des Schematismus-Textes sieht Luhmann scheinbar in der ,,auffälligen Verschiebung des Problems aus der Sachdimension (Übereinstimmung) in die Zeitdimension`` (Luhmann , 1997: 869). Die von Kant geforderte Gleichartigkeit von Gegenstand und Vorstellung liege für diesen in ihrem Verhältnis zur Zeit (Luhmann , 1997: 870). Der Schematismus, verstanden als eine Art Konstruktionsanweisung, leiste diese Verbindung:
,,Die Mannigfaltigkeit der Gegenstände sei dem inneren Sinn als ein Zeitverhältnis gegeben, und eben deshalb müsse sich die Vorstellung eines Gegenstandes eines ,Schematismus` bedienen, der den Gegenstand nicht abbilde, sondern ein Verfahren der Konstruktion des Gegenstandes (wie zum Beispiel das Ziehen eines Kreises) an die Hand gebe und damit seinerseits Zeit in Anspruch nehme`` (Luhmann , 1997: 870).