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Der Begriff des Schematismus bei Kant

Bei Kants Hauptstück über den Schematismus der reinen Verstandesbegriffe handelt es sich um ein vergleichsweise kurzes (B 176 - B 187), aber schwer verständliches Unterkapitel aus der Kritik der reinen Vernunft. Kant versucht in dieser Passage, die Verbindung zwischen der Vorstellung eines Gegenstandes und den Verstandesbegriffen herzustellen. Das Problem, das Kant hier sieht, besteht darin, daß die ,,reinen Verstandesbegriffe`` von gänzlich anderer Qualität als die Anschauungen sind:

,,Nun sind aber reine Verstandesbegriffe, in Vergleichung mit empirischen (ja überhaupt sinnlichen) Anschauungen, ganz ungleichartig, und können niemals in irgendeiner Anschauung angetroffen werden. Wie ist nun die Subsumtion der letzteren unter die erste, mithin die Anwendung der Kategorie auf die Erscheinungen möglich, da doch niemand sagen wird: diese, z.B. die Kausalität, könne auch durch Sinne angeschauet werden und sei in der Erscheinung enthalten¿` (B 176f.)

Erforderlich ist deshalb nach Kant ein ,,Drittes [...], was einerseits mit der Kategorie, andererseits mit der Erscheinung in Gleichartigkeit stehen muß...`` (B177). Diese ,,vermittelnde Vorstellung`` bezeichnet Kant als das ,,transzendentale Schema`` (B 178). Dieses Schema ist über die Zeit sowohl mit der Kategorie als auch mit der Vorstellung verbunden:

,,Nun ist eine transzendentale Zeitbestimmung mit der Kategorie (die die Einheit derselben ausmacht) so fern gleichartig, als sie allgemein ist und auf einer Regel a priori beruht. Sie ist aber andererseits mit der Erscheinung so fern gleichartig, als die Zeit in jeder empirischen Vorstellung des Mannigfaltigen enthalten ist. Daher wird eine Anwendung der Kategorie auf Erscheinungen möglich sein, vermittelst der transzendentalen Zeitbestimmung, welche, als das Schema der Verstandesbegriffe, die Subsumtion der letzteren unter die erste vermittelt.`` (B 178f.)

Letztlich kann das Schema als eine ,,Bilderzeugungsmethode``, als ,,Exemplifikationsanweisung`` (Baumanns , 1997: 533) verstanden werden, die zwischen Vorstellungen und Begriffen vermittelt. Da es hier hauptsächlich um Luhmanns Auseinandersetzung mit Kant geht, ist es an dieser Stelle meines Erachtens zunächst nicht nötig, detaillierter auf den Schematismusbegriff einzugehen. Festzuhalten bleibt aber, daß es sich hier um einen höchst komplexen und schwierigen Text mit einer umfangreichen Wirkungsgeschichte handelt. Peter Baumanns' Kommentar zur Kritik der reinen Vernunft widmet dieser kurzen Passage knapp 40 Textseiten. Allein die Darstellung der nach Baumanns auf einem ,,Mißverständnis`` (Baumanns , 1997: 541) beruhenden Rezeption des Schematismus durch Heidegger und die Modifikation und Interpretation des Begriffs durch die Neukantianer umfaßt rund 20 Seiten Text. Das von der Kant-Forschungsstelle erstellte Verzeichnis der in Mainz verfügbaren Aufsätze zu Kant enthält über 30 Titel aus der deutschsprachigen und internationalen Literatur, die auf das Hauptstück über den Schematismus Bezug nehmen.


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Kai Arzheimer
2001-07-09