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Fazit

In den vorangegangenen Abschnitten hat sich gezeigt, daß es sich beim Kapitel 5.II entgegen dem Anschein, den der Text beim ersten und zweiten Lesen erweckt, nicht um eine substantielle Auseinandersetzung Luhmanns mit dem Kantschen Schematismusbegriff und der Subjektphilosophie handelt. Luhmann beschränkt sich bei seiner Darstellung des höchst komplexen Textes auf einen einzigen Aspekt, nämlich die Zeitlichkeit, und ignoriert dabei die Rezeption und den Forschungsstand zum Schematismusbegriff vollständig. Die Ausführungen zum Gemeinsinn zeigen darüber hinaus, daß er die zugrundeliegenden Texte teilweise nur oberflächlich zur Kenntnis genommen hat.

Seine Argumentation gegen die Subjektphilosophie ist häufig sprunghaft, dogmatisch und in weiten Teilen kaum nachvollziehbar. Auf Textbelege, die seine teilweise doch sehr weitreichenden Aussagen stützen könnten, verzichtet Luhmann fast vollständig. Hinzu kommt an vielen Stellen eine bemerkenswerte begriffliche Unklarheit bzw. die offenkundige Freude am Spiel mit synonym gebrauchten Ausdrücken. Das Kapitel ist deshalb meines Erachtens als Beitrag zu einem rational geführten Diskurs über die Probleme der Subjektphilosophie schlicht inakzeptabel.

Nach mehrfacher gründlicher Lektüre des Textes drängt sich vielmehr der Eindruck auf, daß es Luhmann hier einzig und allein darum geht, einmal mehr zugunsten seiner eigenen systemtheoretischen Betrachtungsweise gegen das ,,alteuropäische Denken`` zu polemisieren und sich dabei den Anstrich philosophischer Belesenheit zu geben. Letzten Endes liegt der genuin philosophische Gehalt des Kapitels in der Erkenntnis, daß Luhmann sich vom Schematismusbegriff zum Konzept der ,,temporalisierten`` Systeme hat anregen lassen und dies anscheinend als eine Weiterführung, wenn nicht als Überwindung Kants ansieht. Eine im eigentlichen Sinne philosophische Auseinandersetzung mit Luhmann erscheint deshalb zumindest vor dem Hintergrund dieses Unterkapitels als wenig lohnend.


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Kai Arzheimer
2001-07-09