Kai Arzheimer und Jürgen W. Falter: Die
Pathologie des Normalen. Eine Anwendung des Scheuch-Klingemann-Modells zur
Erklärung rechtsextremen Denkens und Verhaltens.
1. Einleitung
und Fragestellung
„Politischer Extremismus“ gehört zu den wichtigsten
und am häufigsten benutzten, aber auch zu den umstrittensten Begriffen der
Sozialwissenschaften: Einerseits wird der Terminus von Wissenschaftlern und
politischen Praktikern täglich zur Analyse und Beschreibung politischer Phänomene
verwendet. Andererseits besteht in der Literatur aber wenig Einigkeit darüber,
was überhaupt unter Extremismus verstanden werden soll, auf welche Objekte
der Begriff bezogen werden muß, und wie extremistische Einstellungen und Handlungen
erklärt werden können (Winkler 1996, 2001). Neuere Studien zum Extremismus
beginnen deshalb häufig mit „einer Erörterung der Bedeutung der von ihnen
verwendeten Begriffe“ (Druwe/Mantino 1996:66).
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Bei näherer Betrachtung zeigt sich schnell,
daß die Extremismusforschung durch eine Vielzahl konkurrierender Ansätze gekennzeichnet
ist, die teilweise nur einen geringen Strukturierungsgrad aufweisen. Dies läßt
sich u.a. dadurch erklären, daß in diesem Bereich zwar kontinuierlich geforscht
wird, die Wissenschaft zugleich aber stärker als in anderen Teilgebieten auf
die – zumindest für Deutschland typische - wellenartige Häufung von politischen
und gesellschaftlichen Ereignissen reagiert hat, die vielfach als Demokratiebedrohung
empfunden wurden. Wahl- und Parteienforscher, Psychologen, Soziologen, Pädagogen,
Historiker und politische Philosophen haben sich deshalb immer wieder aus der
Perspektive ihrer jeweiligen Disziplin mit einzelnen Erscheinungsformen des
politischen Extremismus auseinandergesetzt, sobald dieser Bereich an aktueller
Bedeutung gewann. Ihre Analysen beschränkten sich jedoch bisher in der Regel
auf eng abgegrenzte Teilaspekte des Phänomens Extremismus – Ideologien,
politische Einstellungen, die Rolle von Organisationen, politischen
Traditionen, Wahlsystemen, gesellschaftlichen Faktoren oder des unmittelbaren
sozialen Umfeldes – und ignorierten dabei häufig genug die Ergebnisse der
jeweils anderen Forschungstraditionen. Hinzu kommt, daß die Analyse extremistischer
Phänomene in Deutschland oft von normativen und klassifikatorischen
Überlegungen und insbesondere von der Frage nach dem Verhältnis von Links- und
Rechtsextremismus überlagert wurde. Solche Perspektiven haben zwar ihre
Berechtigung, tragen aber wenig zum Verständnis der Dynamik extremistischer Bewegungen
bei und sind insbesondere dann problematisch, wenn sie normative und deskriptive
Aussagen miteinander vermengen. Trotz einer mehr als fünfzigjährigen Forschungstradition
existiert deshalb bis heute keine empirisch gehaltvolle und allgemein
akzeptierte Theorie, welche die Erfolge extremistischer Parteien in modernen
Gesellschaften umfassend erklären könnte.
Bereits 1967 haben aber Erwin K. Scheuch und
Hans-Dieter Klingemann mit ihrer „Theorie des Rechtsradikalismus in westlichen
Industriegesellschaften“ das Grundgerüst einer solchen umfassenden Erklärung
skizziert. Da das Konzept von Scheuch und Klingemann meist nur in der stark
verkürzten Form der sogenannten „Modernisierungsverliererhypothese“ rezipiert
wird und bis zum heutigen Tage kaum jemals operationalisiert wurde (vgl. aber
Klein/Falter 1996), wollen wir die Gelegenheit nutzen, diesen ambitionierten
Erklärungsversuch einem breiteren Publikum vorzustellen und zugleich
wesentliche Teile der Theorie empirisch auf ihre Anwendbarkeit hin zu überprüfen.
2. Das
Modell von Scheuch und Klingemann
2.1 Begrifflichkeit
Der für die Studie von Scheuch und Klingemann
titelgebende Begriff des Radikalismus weist
im deutschen, angelsächsischen und romanischen Sprachraum eine ebenso lange wie
komplizierte Geschichte auf (vgl. ausführlich Wende 1984). Seit dem Ende der
zwanziger Jahre wurde die Radikalismusvokabel in der politischen wie in der
Wissenschaftssprache verwendet, um ganz allgemein Phänomene an beiden Rändern
des politischen Spektrums zu bezeichnen (Backes 1989: 64). Dieser Tradition
folgend nehmen Scheuch und Klingemann in ihrer Studie keine Definition im
eigentlichen Sinne vor. Statt dessen knüpfen sie an die ältere Literatur und
hier insbesondere an die Studie von Adorno et al. (1950) an, indem sie eine
Reihe von Bestandteilen eines rechtsradikalen Einstellungsmusters aufzählen. Zu
den Kernelementen dieses Einstellungssyndroms rechnen sie die Ablehnung demokratischer
Regeln, eine negative Einstellung gegenüber Fremdgruppen, eine Neigung zu Verschwörungstheorien
und eine Vorliebe für „konservative ökonomische und politische Ideologien“
(Scheuch/Klingemann 1967: 13).
Im Gegensatz zu der späteren Studie von
Klingemann und Pappi (1972) verwenden Scheuch/Klingemann den Ausdruck Extremismus im wesentlichen als Synonym
für Radikalismus. Unter Extremismus verstehen sie „die grundsätzliche Ablehnung
der gegenwärtigen Gesellschaftsform und ihrer politischen Organisation als
untragbar, ja böse unter Verweis auf einen alternativen und effizienteren
Organisationstyp der Gesellschaft“ (Scheuch/Klingemann 1967: 22). Links- und
Rechtsextremismus unterscheiden sich dabei durch ihren normativen Bezugspunkt.
Während sich Linksextremisten an einer „zukünftige[n] Idealsituation (...)
deren wesentliches Vollzugsorgan die Bewegung Gleichgesinnter bleiben soll“
(Scheuch/Klingemann 1967: 22) orientieren, streben Rechtsextremisten nach einer
„(verbesserte[n]) Wiederherstellung vergangener Organisationsformen und Werte“
(Scheuch/Klingemann 1967: 23). [1]
In Anlehnung an Scheuch und Klingemann wollen
auch wir in diesem Beitrag mit Extremismus/Radikalismus eine fundamental
negative Einstellung gegenüber der bestehenden Gesellschaftsordnung, d.h. der
liberalen Demokratie bezeichnen, die ihren spezifischen „rechten“ bzw. „linken“
Charakter durch entsprechende alternative Wertorientierungen und Ordnungsvorstellungen
gewinnt. Wie Scheuch und Klingemann beschränken wir uns dabei im wesentlichen
auf die Untersuchung rechtsextremistischer Einstellungen und (Wahl-)Handlungen.[2]
2.2 Struktur
und Erklärungsmuster
Ihrer Struktur nach handelt es sich bei der
von Scheuch und Klingemann vorgeschlagenen „Theorie des Rechtsradikalismus in
westlichen Industriegesellschaften“ um ein Mehr-Ebenen-Modell. Bei dieser Form
der Theoriebildung, die in der neueren Literatur häufig als Idealfall einer
soziologischen Erklärung betrachtet wird (Hummell/Opp 1971, Coleman 1994, Opp
1995, Esser 1996), werden Phänomene auf der Makro-Ebene wie beispielsweise eine
Zunahme des Stimmenanteils rechtsextremer Parteien nicht direkt durch andere Makrophänomene
erklärt. Charakteristisch für Mehr-Ebenen-Erklärungen ist vielmehr die
Mikrofundierung der Theorie: Befunde auf der Makro-Ebene werden auf die
Aggregation individueller
Einstellungen und Handlungen zurückgeführt. Die Prozesse auf der Mikro-Ebene,
die für diese Einstellungen und Handlungen verantwortlich sind, lassen sich
ihrerseits wieder durch Makro-Einflüsse erklären. Je nach Erklärungsanspruch
können dabei die Wirkung der zwischen Individuum und Gesellschaft geschalteten
sozialen Gebilde (Meso-Ebene) entweder als black
box betrachtet oder detaillierter analysiert werden. Wegen ihres typischen
Argumentationsganges, der sich graphisch gut veranschaulichen läßt – Phänomene
auf der „höheren“, gesellschaftlichen Erklärungsebene bringen Wirkungen auf der
„niedrigeren“ Individualebene hervor, die ihrerseits wieder die übergeordnete
gesellschaftliche Ebene beeinflussen – wird die Mehr-Ebenen-Erklärung manchmal
auch als „Badewannenmodell“ bezeichnet.
Mit Hilfe dieses Grundmodells läßt sich der
Ansatz von Scheuch und Klingemann in kompakter Form rekonstruieren. Am Anfang
der von den Autoren skizzierten Kausalkette stehen vier Befunde auf der
Makro-Ebene (in ihrer Terminologie: „Strukturbedingungen“), die als
charakteristisch für „sich rasch wandelnde Industriegesellschaften“ angesehen
werden (1967: 17):
1.
Zwischen
„den für Primärgruppen kennzeichnenden Werten und Verhaltensweisen einerseits
und den funktionalen Erfordernissen der sekundären Institutionen (z.B. Betrieb,
Behörden, Organisationen) andererseits“ bestehen Gegensätze.
2.
Aufgrund
der Ungleichzeitigkeiten in der ökonomischen Entwicklung, die unterschiedliche
Produktionsformen nebeneinander fortexistieren läßt, treten außerdem
Widersprüche zwischen den „in der eigenen Berufssituation geltenden und den die
gesellschaftlichen Entwicklung determinierenden Faktoren“ auf.
3.
Zugleich
sind die Beziehungen zwischen Bürgern und politischer Führung „prekär
geworden“. Während einerseits immer mehr Menschen von Fehlleistungen der
Politik direkt betroffen sind, werden die „traditionellen Mittel der
Einflußnahme“ (Wahlbeteiligung und Mitgliedschaft in Parteien) als unzureichend
empfunden.
4.
Darüber
hinaus werden diese gesellschaftlichen Konflikte in den Medien nicht in
ausreichendem Umfang thematisiert.
In modernen Gesellschaften bestehen also
vielfältige Konflikte zwischen
konkurrierenden Wert- und Normsystemen, die aufgrund der unter 3. und 4.
genannten Defizite nicht angemessen artikuliert und ausgetragen werden.
Verschärft wird diese Problematik durch die in Industriegesellschaften gegenüber
älteren Gesellschaftsformen zu beobachtende Beschleunigung des sozialen,
politischen und ökonomischen Wandels, die eine beständige Umwertung der Werte
nach sich zieht und dabei den Individuen (und den intermediären Organisationen)
nur wenig Zeit läßt, ihre eigenen Wertvorstellungen anzupassen. Die parallele Abwertung
beruflicher Qualifikationen durch den Modernisierungsprozeß und die damit verbundenen
Statusverluste für bestimmte Gruppen, die in der neueren Forschung in Form der
Modernisierungsverliererhypothese häufig mit (Rechts-) Extremismus in Zusammenhang
gebracht werden (Winkler 1996: 34), spielen hingegen bei Scheuch und Klingemann
noch keine wesentliche Rolle, könnten aber problemlos als weiterer Faktor in
das Erklärungsmodell integriert werden.
Im zweiten Schritt der Erklärung verlassen
Scheuch und Klingemann die Makro-Ebene: Die genannten gesellschaftlichen
Konflikte werden ihnen zufolge vom Individuum als irritierende normative
„Unsicherheiten“ wahrgenommen (1967:18).[3]
Eine „pathologische“ Form der Anpassung an diese normativen Unsicherheiten
besteht Scheuch und Klingemann zufolge in der Entwicklung eines rigiden
Denkstiles im Sinne der von Adorno et al (1950), Eysenck (1954) und Rokeach
(1960) entwickelten Konzepte (Scheuch/Klingemann 1967: 18f), durch den die als
störend empfundenen Ambiguitäten aufgelöst werden. Ein solcher Denkstil
beinhaltet die Entwicklung von Freund-Feind-Schemata, die Bevorzugung einfacher
und dabei radikaler politischer Konzepte sowie die Abwehr neuer Erfahrungen und
Informationen über die soziale und politische Realität, welche die gewonnene
Sicherheit wieder in Frage stellen könnten.
Ob, in welchem Umfang und in welchen
Ausprägungen dieser rigide Denkstil zur Ausbildung extremistischer
Einstellungen auf der Individualebene führt, hängt Scheuch und Klingemann
zufolge wiederum von einem Makro-Faktor ab: der Verfügbarkeit entsprechender
„politischer Philosophien“ (1967:20) in der nationalen politischen Kultur. Da
die meisten Bürger nur ein geringes Maß an politischem Interesse aufbringen
(van Deth 2000), werden nur wenige Menschen aus sich heraus politisch relevante
extremistische Einstellungen wie z.B. eine feindliche Haltung gegenüber
bestimmten sozialen Gruppen, eine Ablehnung der Demokratie und des Pluralismus
oder sogar die Befürwortung eines revolutionären Umsturzes, entwickeln. Wenn
aber das kulturelle System einer Gesellschaft entsprechende Ideologiefragmente
zur Verfügung stellt, besteht die Möglichkeit, daß diese von einem Teil
derjenigen Bürger, die einen rigiden Denkstil entwickelt haben, aufgenommen
werden, weil sie deren Bedürfnis nach einfachen Erklärungen und drastischen
Maßnahmen befriedigen, so die (weitgehend implizite) Argumentation der Autoren.
Falls ein Teil der Bürger
extremistische Einstellungen entwickelt, führt allerdings auch diese Tatsache
noch nicht zwangsläufig zu einer Wahlentscheidung Egos zugunsten einer
extremistischen Partei. Neben einer Reihe von Einflußfaktoren, die aus einer
über den Ansatz von Scheuch und Klingemann hinausgehenden Handlungstheorie
abgeleitet werden müßten, spielen hier wiederum zahlreiche institutionelle und
andere Makro-Faktoren, auf die Scheuch/Klingemann allerdings nur am Rande
eingehen (1967:20f), sowie deren Wahrnehmung durch die Bürger eine wichtige
Rolle. Zu denken ist dabei in erster Linie an die Anzahl und die
organisatorische Stärke der extremistischen Parteien, an die rechtlichen
Vorschriften, die die Gründung, Kandidatur und Wahlwerbung einer
(extremistischen) Partei regeln, an die Präsentation der Extremisten in den
Medien, an das programmatische Angebot der demokratischen Parteien, die
politische Agenda der Öffentlichkeit, an die bisherigen Wahlerfolge der
Extremisten, in denen sich die soziale Akzeptanz einer entsprechenden
Wahlentscheidung widerspiegelt (Scheuch/Klingemann 1967: 21) sowie an die Anreize,
die für Bürger (und Parteien) vom Wahlsystem ausgehen. Diese Faktoren, die
unter dem Begriff der politischen Gelegenheitsstruktur zusammengefaßt werden
können, dürften maßgeblich dafür verantwortlich sein, daß beispielsweise der
Wähleranteil rechtsextremer Parteien in der Bundesrepublik starken zyklischen
Schwankungen unterliegt, obwohl das Niveau rechtsextremer Einstellungen
weitgehend konstant ist bzw. sogar leicht sinkt (Klein/Falter 1996, Arzheimer/Schoen/Falter
2001).
Ob schließlich die individuellen
Wahlentscheidungen zu einem extremistischen Wahlerfolg auf der Makro-Ebene,
d.h. zur Repräsentation im Parlament führen, hängt sowohl von der
mathematischen Aggregation durch das jeweilige Wahlsystem als auch von der Fähigkeit
der politischen Führer ab, untereinander formelle und informelle Wahlbündnisse
zu schließen, die es ihnen ermöglichen, Sperrklauseln und andere Quoren zu
überwinden (Cox 1997). Die Frage, ob es einer extremistischen Partei gelingt,
die Schwelle zur parlamentarischen Repräsentation zu überwinden, ist für die
Dynamik extremistischer Bewegungen von entscheidender Bedeutung, weil an diesem
Punkt eine Reihe von Rückkopplungsmechanismen ansetzen. Zumindest einen dieser
Mechanismen skizzieren Scheuch und Klingemann (1967:21f) selbst: Je größer der
Stimmenanteil einer Partei ist, desto geringer dürften bei der nächsten Wahl
die Effekte der sozialen Erwünschtheit sein, die einen Teil ihrer potentiellen
Wähler davon abhalten, tatsächlich für diese Partei zu stimmen. Auf diese Weise
kann eine extremistische Partei sogar für solche Bürger wählbar werden, die nur
in geringem Umfang extremistische Einstellungen aufweisen, wie dies vermutlich
bei der NSDAP der Fall war (Falter 1991).
Darüber hinaus hat das Erlangen der
parlamentarischen Repräsentation eine Signalfunktion für taktische Wähler:
Personen, die aufgrund ihrer Einstellungen eigentlich eine extremistische
Partei präferieren, werden möglicherweise für eine demokratische Partei
stimmen, wenn sie befürchten, daß ihre Stimme aufgrund des Wahlsystems
verlorengeht. Gelingt es einer extremistischen Partei jedoch, die
Sperrmechanismen des Wahlsystems zu überwinden und auf diese Weise relative
Stärke zu demonstrieren, wird diese Gruppe in der nächsten Wahl vermutlich die
extremistische Partei unterstützen, da die Gefahr einer „wasted vote“ (Schoen
1999) dann als geringer wahrgenommen wird Diese Logik gilt selbstverständlich
auch umgekehrt: Ein Scheitern an der Sperrklausel kann die Anhängerschaft einer
extremistischen Partei in der nächsten Wahl auf deren harten Kern reduzieren.
Darüber hinaus verändern Wahlsieg oder –niederlage in vielfältiger Weise die
oben genannten Randbedingungen der individuellen Wahlentscheidung, weil sie auf
die Organisationsstruktur, die Medienpräsenz, die öffentliche Agenda, das
programmatische Angebot aller Parteien und – im Falle von Wahlrechts- und
Verfassungsänderungen oder Parteienverboten – sogar auf die institutionelle
Struktur des politischen Systems zurückwirken. Nicht zuletzt schließlich
erhöhen sie aufgrund des größeren Bekanntheitsgrades der Partei die
Verfügbarkeit extremistischer Ideologien in einer Gesellschaft, können aber
auch, wenn es zu einem Konsens der demokratischen Parteien und der Medien
kommt, zur Folge haben daß solche Ideologien zunehmend als illegitim angesehen
werden.
–Abbildung
1 (Darstellung bereitet in vielen Browsern Probleme)–
Abbildung 1 zeigt die wesentlichen Elemente
des Ansatzes und die Beziehungen zwischen ihnen noch einmal im Überblick. Dabei
wird deutlich, daß es sich bei der Konzeption von Scheuch und Klingemann in der
Tat nicht um eine geschlossene Theorie, sondern eher um die Skizze eines
Forschungsprogramms handelt, das Raum für Erweiterungen läßt, was durch die
vier zusätzlichen Pfeile im unteren Bereich angedeutet ist. Sie stehen für
weitere Einflüsse auf das Individuum, die von der Mikro- oder Makro-Ebene
ausgehen können.[4] Darüber
hinausgehende Ergänzungen des Modells sind ohne weiteres denkbar. Diese offene
Struktur, die Komplexität und die explizite Berücksichtigung mehrerer Analyseebenen
machen den großen Reiz des Modells aus, erschweren aber zugleich eine
empirische Überprüfung der von Scheuch und Klingemann formulierten Hypothesen.
Überdies machen die Autoren keinerlei Aussagen darüber, wie stark die zu
erwartenden Zusammenhänge zwischen den Variablen sind, sondern verweisen
lediglich darauf, daß die Beziehungen zwischen den von ihnen benannten Variablen
nicht deterministisch sind. Ziel unserer eigenen Untersuchung kann es deshalb
nur sein, exemplarisch das große Potential des Modells für synchron und
diachron vergleichende Studien auszuloten.
3. Datenbasis
und Operationalisierung
Für eine echte Prüfung des Ansatzes von
Scheuch und Klingemann würde man Daten aus einer international vergleichend
angelegten Mehrebenen-Erhebung benötigen. Auf der Makro-Ebene müßten sich die
zu untersuchenden Gesellschaften hinsichtlich ihrer institutionellen
Arrangements und der in ihnen ablaufenden Modernisierungsprozesse möglichst
deutlich unterscheiden. Auf der Mikro-Ebene wäre dann zu prüfen, ob die Bürger
in den verschiedenen Gesellschaften auf die Stimuli der Makroebene in der von
Scheuch und Klingemann prognostizierten Weise reagieren. Ein solcher Datensatz
steht unseres Wissens jedoch bisher nicht zur Verfügung.[5]
Unsere Untersuchung beschränkt sich deshalb im wesentlichen darauf, das Mikro-Modell,
von dem Scheuch und Klingemann ausgehen, in ein System von Strukturgleichungen
zu überführen und die Parameter dieses Systems zu schätzen.
Selbst eine Umsetzung des Mikro-Modells für
eine einzige, nämlich für die (west)deutsche Gesellschaft erwies sich jedoch
als unerwartet schwierig, weil keine der uns bekannten Untersuchungen Fragen
zur Wahrnehmung von Wertekonflikten,
die sich auf Modernisierungsprozesse zurückführen lassen, enthält. Diese
Schwierigkeit läßt sich allerdings durch die Verwendung von Proxy-Variablen
abmildern, mit deren Hilfe die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen modelliert
wird, die von Wertekonflikten in besonderer Weise betroffen sind. Notgedrungen
muß dabei angenommen werden, daß die Mitglieder dieser Gruppen die objektiv
bestehenden Wertekonflikte auch tatsächlich wahrnehmen.
Schwerer wiegt dagegen ein zweites Problem:
Es gibt so gut wie keine aktuellen Studien, in denen Persönlichkeitsmerkmale[6]
untersucht wurden, die sich im Sinne des von Scheuch/Klingemann, Adorno und
anderen verwendeten Konzeptes der Rigidität interpretieren lassen. In jüngster
Zeit hat jedoch Siegfried Schumann im Rahmen seines Habilitationsprojektes eine
bundesweite Umfrage durchgeführt, in der auch die sogenannte ASKO-Skala[7]
(Schumann 1990, 2001) erhoben wurde.[8]
Ähnlich wie die Skalen von Rokeach und Eysenck soll dieses aus neun Items
bestehende Instrument das Vorhandensein eines geschlossenen Denkstils erfassen,
ohne sich dabei explizit auf politische Gegenstände zu beziehen. Jedes der
Items besteht aus einem Gegensatzpaar – beispielsweise „neue, bisher unbekannte
Dinge“ vs. „bekannte Dinge“ – aus dem die Befragten spontan den ihnen sympathischeren
der beiden Begriffe auswählen sollen. Der Skalenwert eines Befragten ergibt
sich aus der Anzahl seiner „symptomatischen“, d.h. auf einen geschlossenen
Denkstil hindeutenden Antworten und liegt dementsprechend zwischen null und
neun. Inhaltlich kommt dieser Indikator dem Konzept der Rigidität, wie Scheuch
und Klingemann es verwenden, sehr nahe.
Da der Datensatz neben der ASKO-Skala und
anderen Instrumenten aus der Persönlichkeitsforschung außerdem auch eine ganze
Reihe von Items enthält, die sich in der (Rechts-) Extremismusforschung gut
bewährt haben, verwenden wir in diesem Beitrag ausschließlich die von Schumann
erhobenen Daten. Bei der Auswertung beschränken wir uns auf jene 1339 Interviews,
die in den westlichen Bundesländern durchgeführt wurden, da es angesichts der
nach wie vor beträchtlichen politisch-kulturellen Unterschiede zwischen Ost-
und Westdeutschen (Falter/Gabriel/Rattinger 2000) vermutlich wenig sinnvoll
wäre, ein gemeinsames Modell für beide Teilgesellschaften zu schätzen und das
ostdeutsche Sample mit einem Umfang von n=324 für eine separate multivariate
Analyse zu klein ist.
Zur Messung antidemokratischer und
antipluralistischer Einstellungen, die einen wesentlichen Bestandteil eines
allgemein als antidemokratisch zu verstehenden extremistischen Denkens
ausmachen, stehen in Schumanns Untersuchung zwei Einzelindikatoren zur Verfügung:
Zum einen die Frage, ob unter bestimmten Umständen „eine Diktatur die bessere
Staatsform“ sei, zum anderen das Item „Gruppen und Verbandsinteressen sollten
sich bedingungslos dem Allgemeinwohl unterordnen.“ Die Bereiche Nationalismus,
Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Verklärung des Nationalsozialismus,
die als Kernelemente eines spezifisch rechtsextremen
Einstellungssyndroms gelten können, werden durch je zwei Indikatoren abgedeckt,
die zu vier Summenindizes kombiniert wurden (Falter 1994). Eine Besonderheit
der Schumannschen Untersuchung besteht darin, daß den Befragten bei diesen zehn
Einstellungsitems statt der üblichen Ratingskalen dichotome Antwortvorgaben
(richtig/falsch) gemacht wurden, woraus sich Konsequenzen für das zu verwendende
Schätzverfahren und die Varianz der Antworten ergeben, auf die wir weiter unten
eingehen.
Die Affinität zu den Parteien der extremen
Rechten wurde mit Hilfe zweier Sympathie-Skalometer erfaßt: Auf einer Skala mit
elf Abstufungen konnten die Befragten angeben, wie sympathisch oder
unsympathisch ihnen Republikaner und DVU jeweils sind. Da nicht auszuschließen
ist, daß es unter den besonders stark mobilisierten Anhängern beider Parteien
zu einer Polarisierung kommt, so daß besonders engagierte Anhänger der Republikaner
die DVU eher unsympathisch finden und umgekehrt, wurde nicht die Summe, sondern
das Maximum beider Einzelindikatoren verwendet, um die Nähe zu den Rechtsparteien
zu operationalisieren, weil es sonst zu Verzerrungen kommen könnte. Die
eigentliche Wahlentscheidung zugunsten der Parteien der extremen Rechten wurde
mit der üblichen Sonntagsfrage erhoben. Eine Wahlabsicht für DVU oder Republikaner
wurde dabei mit eins, eine Wahlabsicht zugunsten einer anderen oder keiner Partei
mit null kodiert.
Als Proxy-Variablen schließlich, die für die
Betroffenheit durch die von Scheuch und Klingemann beschriebenen Wertekonflikte
stehen, welche wiederum zur Entwicklung eines rigiden Denkstils führen sollen,
kommt eine ganze Reihe von Größen in Betracht. An erster Stelle ist hier die
Zugehörigkeit zur Gruppe der „Materialisten“ im Sinne der Wertewandelstheorie
Ronald Ingleharts zu nennen. Nach der von Inglehart in zahlreichen Publikationen
(u.a. Inglehart 1977, 1990) vertretenen These verlieren seit mehreren Jahrzehnten
in allen demokratischen Gesellschaften ältere, auf materielle Sicherheit und
die Erfüllung sozialer Normen ausgerichtete Werte zugunsten neuerer, auf
Selbstverwirklichung und andere immaterielle Ziele bezogener Werte an Bedeutung.
Dementsprechend sollte die Gruppe der „reinen Materialisten“, die
ausschließlich jene älteren Werte vertreten, schrumpfen, während die Gruppen
der „Mischtypen“ und der „reinen Postmaterialisten“ an Boden gewinnen sollte.
Obwohl Ingleharts Wertewandelstheorie in den vergangenen Jahren einer heftigen
methodologischen und inhaltlichen Kritik ausgesetzt war (vgl. u.a. Schumann
1989, Bürklin/Klein/Ruß 1994, Klein/Arzheimer 1999), auf die wir aus Platzgründen
nicht näher eingehen können, wollen wir hier auf die von ihm entwickelte Typologie
zurückgreifen, weil Ingleharts Instrument trotz der mit dem Erklärungsansatz verbundenen
Probleme in der Lage sein dürfte, eine gesellschaftliche Gruppe zu identifizieren,
die den von Scheuch und Klingemann beschriebenen Widerspruch zwischen ihren
eigenen Grundüberzeugungen und dem gesellschaftlichen Trend empfindet. Für die
Zwecke der Analyse reduzieren wir den ursprünglichen Inglehart-Index auf eine
Dichotomie (eins = Materialisten, null = alle übrigen Wertetypen).
In einer ähnlichen Situation wie die
Materialisten befinden sich jene Menschen, die sich selbst als Angehörige der
„Arbeiterschicht“ sehen. Wie in allen westlichen Gesellschaften unterliegt auch
in der Bundesrepublik der industrielle Sektor einem kontinuierlichen
Schrumpfungsprozeß (Geißler 1996). Parallel dazu ist das klassische
Arbeitermilieu mit seinem dichten Netz sozialer Beziehungen fast verschwunden.
Unter diesen Umständen wird die Selbsteinstufung in die Arbeiterschicht
tendenziell zum Indikator für einen Konflikt zwischen den Produktionsformen und
sozialen Normen, die für die eigene Berufssphäre und das Herkunftsmilieu
charakteristisch sind, einerseits und der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung
(Scheuch/Klingemann 1967: 17) andererseits.
Ein positiver Zusammenhang zwischen der
Selbsteinstufung als Arbeiter und einem hohen Maß an Rigidität könnte
allerdings auch auf eine schichtspezifische Sozialisierung (Lipset 1960,
Kitschelt 1995) zurückgehen oder sich dadurch erklären, daß es sich bei dem Betroffenen
mit einiger Wahrscheinlichkeit um einen „Modernisierungsverlierer“ handelt, der
aufgrund seiner negativen Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt einen rigiden
Denkstil und extremistische Vorstellungen entwickelt. Diese letztgenannte
Überlegung findet sich, wie oben erwähnt, in der neueren Literatur zum
Extremismus häufig, greift aber über den ursprünglichen Ansatz von Scheuch und
Klingemann hinaus. Auch die Schichtzugehörigkeit geht in unser Modell als Dichotomie
ein.
Noch etwas komplizierter als bei der Schichtzugehörigkeit
liegen die Verhältnisse bei der dritten von uns verwendeten Proxy-Variablen,
nämlich der formalen Bildung. Im Sinne von Scheuch und Klingemann ist zunächst
festzuhalten, daß die Zahl der Wertekonflikte, denen sich ein Individuum
gegenübersieht, mit dem Grad der formalen Bildung[9]
tendenziell abnimmt, da Bildungseinrichtungen als Sozialisationsinstanzen
wirken. Darüber hinaus sollte eine höhere Schulbildung unabhängig von der
Vermittelung von Werten einen offenen Denkstil fördern, während umgekehrt davon
auszugehen ist, daß ein extremes Maß an Rigidität einer Bildungskarriere
entgegensteht. Drittens schließlich muß eine niedrige formale Bildung ebenso
wie die Einstufung als Arbeiter als Indiz dafür gelten, daß es sich bei dem
jeweiligen Befragten um einen „Modernisierungsverlierer“ handelt. Für den zu
erwartenden negativen Zusammenhang zwischen formaler Bildung und Rigidität gibt
es also mehrere Ursachen, und die kausale Reihenfolge beider Größen ist nicht
eindeutig festgelegt.[10] Wie bei der Schichteinstufung sind
deshalb auch hier die möglichen Effekte, die hinter den beobachteten
Zusammenhängen stehen, statistisch nicht voneinander separierbar.
Bei der letzten Proxy-Variablen, die wir in
das Modell aufnehmen, handelt es sich um das Geschlecht, das stellvertretend
für eventuelle spezifische Sozialisationsmuster steht. Aus dem Ansatz von
Scheuch und Klingemann ergeben sich jedoch keine Hinweise darauf, in welche
Richtung derartige Einflüsse wirken könnten. Deshalb betrachten wir das Geschlecht
in erster Linie als Kontrollvariable.
Eine weitere mögliche Proxy-Variable, nämlich
das Alter, haben wir nicht in das
Modell einbezogen, obwohl nach den Überlegungen von Scheuch und Klingemann zu
vermuten wäre, daß die Angehörigen älterer Generationen in stärkerem Maße von
Wertekonflikten betroffen sind als jüngere Menschen, da ihre primäre und
sekundäre Sozialisation länger zurückliegt und die Fähigkeit, sich an
gesellschaftliche Veränderungen anzupassen, mit zunehmendem Lebensalter
vermutlich abnimmt. Allerdings dürfte das Lebensalter keinen linearen Effekt
auf die Entwicklung eines rigiden Denkstiles haben. Entscheidend sollte in
diesem Zusammenhang vielmehr die Zugehörigkeit zu politischen Generationen sein, für deren Einteilung es keine klaren
Richtlinien gibt. Zudem ist davon auszugehen, daß etwaige Alterseffekte nicht
in allen sozialen Gruppen in gleicher Weise ausgeprägt sind, sondern vielmehr
komplexe Interaktionen mit anderen Variablen wie der Bildung auftreten. Die Modellierung
solcher Interaktionseffekte mit einer mehrfach gestuften nominalen Variablen in
einem Strukturgleichungsmodell wäre mit kaum lösbaren
statistisch-mathematischen Komplikationen verbunden. Da das Alter überdies
relativ stark mit der formalen Bildung korreliert, welche die von Scheuch und
Klingemann beschriebenen Wertkonflikte weitaus besser und in vergleichsweise
unproblematischer Weise erfassen sollte, beschränken wir uns deshalb auf die
vier genannten Proxy-Variablen.
–Abbildung
2 (Darstellung bereitet in vielen Browsern Probleme)–
Abbildung 2 gibt einen Überblick über das von
uns analysierte Modell, das aus insgesamt fünf hintereinander geschalteten
Blöcken besteht: Ganz links sind die vier Proxy-Variablen zu erkennen, die für
die Betroffenheit durch gesellschaftliche Widersprüche stehen, welche
ihrerseits wieder auf Modernisierungsprozesse zurückgehen. Diese Einflußgrößen
sind exogen, d.h. sie werden im
Rahmen des Modells nicht erklärt, sondern als gegeben vorausgesetzt. Da
zwischen den exogenen Variablen bekanntermaßen substantielle Zusammenhänge
bestehen – beispielsweise weisen Arbeiter im Durchschnitt eine niedrigere
formale Bildung auf als Angehörige anderer sozialer Schichten – wurden die
Korrelationen zwischen ihnen als freie Parameter geschätzt.
Entsprechend dem von Scheuch und Klingemann
vorgeschlagenen Erklärungsansatz enthält das Modell keine direkten Beziehungen zwischen Proxy- und Einstellungsvariablen.
Statt dessen wird davon ausgegangen, daß Geschlecht und Bildung sowie Schicht-
und Wertorientierungsgruppenzugehörigkeit einen Einfluß auf die Rigidität der
Befragten bzw. deren „Affinität zu Stabilen Kognitiven Strukturen“ haben. Unter
der (hier nicht geprüften, aber für die Bundesrepublik gegebenen) Voraussetzung,
daß die politische Kultur entsprechende Ideologiefragmente zur Verfügung
stellt, sollte ein hohes Maß an Rigidität wiederum dazu führen, daß die
betreffenden Personen in der Tendenz Demokratie und Interessenpluralismus
ablehnen und nationalistische, antisemitische, ausländerfeindliche und
pro-nationalsozialistische Einstellungen annehmen. Diese sechs
Einstellungsvariablen bilden den zentralen Block des Strukturgleichungsmodells.
Unter der (wiederum nicht modellierten)
Bedingung, daß Parteien existieren, die solche Einstellungen in Politikentwürfe
umsetzen, und daß diese Parteien von den Wählern korrekt wahrgenommen werden,
sollten extremistische Einstellungen eine Affinität zu extremistischen Parteien
nach sich ziehen. Diese Nähe zu den extremistischen Parteien führt dann (unter
den obengenannten Voraussetzungen) zur Wahl dieser Parteien.
Somit sind in unserem statistischen Modell
alle wesentlichen Aspekte des von Scheuch und Klingemann skizzierten Wirkungsmechanismus
auf der Mikro-Ebene umgesetzt. Stünden Daten aus Ländern, die mit der alten
Bundesrepublik vergleichbar sind, zur Verfügung, wäre es durch eine Erweiterung
des mathematischen Modells prinzipiell möglich, darüber hinaus zumindest einige
der von Scheuch und Klingemann benannten, hier nur in Parenthese aufgeführten
moderierenden Wirkungen von Makro-Variablen auf Mikro-Zusammenhänge zu überprüfen.
Bevor nun aber die Parameter des
Mikro-Modells für die alten Bundesländer geschätzt werden können, müssen noch
zwei technische Probleme angesprochen werden, die einen erheblichen Einfluß auf
unsere inhaltlichen Ergebnisse haben: Zum einen muß die Frage beantwortet
werden, ob das Skalenniveau der Variablen dem gewählten Analyseverfahren
angemessen ist, zum anderen ist zu klären, wie in jenen Fällen verfahren werden
soll, in denen die Respondenten nicht alle Fragen des Interviewers beantwortet
haben.
Zunächst zum ersten Punkt: Grundsätzlich
setzt die Schätzung eines Strukturgleichungsmodells mit dem üblichen Maximum
Likelihood-Verfahren Daten voraus, die mindestens intervallskaliert und dabei
multivariat normalverteilt sind. Diese Bedingung ist bei der Analyse von
Umfragedaten in aller Regel nicht erfüllt. In unserem Falle könnte
höchstens die ASKO-Skala als intervallskaliert angesehen werden. Die klar
erkennbar linkssteile Verteilung der Meßwerte weicht allerdings deutlich von
einer Normalverteilung ab. Dies gilt in noch stärkerem Maße für die anderen im
Modell verwendeten Variablen, die allesamt lediglich zwei oder drei
Ausprägungen aufweisen und schon deshalb nicht als normalverteilt angesehen
werden können. Wendet man die Standardverfahren zur Schätzung von
Strukturgleichungsmodellen auf derartige Daten an, sind die Ergebnisse
verzerrt: Tendenziell wird die Stärke von Zusammenhängen unterschätzt, zudem
werden korrekt spezifizierte Modelle zu oft als mit den empirischen Daten
unvereinbar zurückgewiesen (Hoogsland/Boomsma 1998).
Zwei neuere Entwicklungen in der Analyse von
Strukturgleichungsmodellen, auf deren Einzelheiten wir an dieser Stelle nicht
eingehen können, entschärfen diese Problematik aber: Die Analyse polychorischer Korrelationen gibt ein
realistischeres Bild von der Stärke der Zusammenhänge zwischen Variablen, die
auf ordinalem Niveau gemessen werden, während das Erfordernis der multivariaten
Normalverteilung aufgegeben werden kann, wenn die Schätzung der Parameter nach
dem ADF-Verfahren erfolgt.[11]
Die Kombination von polychorischen Korrelationen und ADF-Schätzung stellt
vermutlich derzeit das am besten zur Analyse von Umfragedaten geeignete
Verfahren dar (Jöreskog/Sörbom 1996: 8ff).
Auch das Problem der fehlenden Einzelmeßwerte
(item non-response) ist in der Umfrageforschung
weitverbreitet: Häufig bearbeiten Respondenten nur einen Teil des Fragebogens
und überspringen dabei insbesondere solche Items, die sie als schwierig oder
unangenehm empfinden. In anderen Fällen „vergißt“ der Interviewer, die
entsprechenden Fragen zu stellen. Auch die von uns verwendeten Variablen sind
vom Problem der item non-response
betroffen. Dies gilt insbesondere für die Einstellungsfragen und die Items der
ASKO-Skala: Während Fragen nach dem Geschlecht, dem Alter, der formale Bildung
oder der subjektiven Schichteinstufung von maximal etwas mehr als einem Prozent
der Befragten nicht beantwortet wurden, waren dort bis zu 23 Prozent
Antwortausfälle (Sympathie für die vielen Wählern weitgehend unbekannte DVU) zu
verzeichnen. Im Mittel blieben rund sieben Prozent der Einstellungsfragen
unbeantwortet. Insgesamt sind die Daten von 779 der 1339 Befragten
unvollständig.
In der Auswertungspraxis wenden
Sozialforscher häufig ad-hoc-Verfahren (paarweises Löschen, listenweises Löschen)
an, um Fälle mit fehlenden Werten aus dem Datensatz auszuschließen. Dieses
Vorgehen ist aber insbesondere dann inakzeptabel, wenn die Daten zur Schätzung
von multivariaten Modellen eingesetzt werden sollen, weil es den Umfang der
Stichprobe wie in unserem Fall dramatisch reduziert und die Zusammenhänge zwischen
den Variablen verzerrt (King et al. 2001).
In den letzten Jahren hat deshalb die
multiple Imputation (Vervollständigung) von Datensätzen an Bedeutung gewonnnen.
Das Prinzip der multiplen Imputation (vgl. für das folgende ausführlich
Schafer/Olson 1998) beruht auf der Grundüberlegung, daß die Zusammenhänge
zwischen den untersuchten Variablen problemlos geschätzt werden könnten, wenn
für alle Fälle vollständige Beobachtungen vorlägen. Umgekehrt ließen sich
fehlende Werte ergänzen, wenn Klarheit über die Zusammenhänge zwischen den
Variablen bestünde. In einem iterativen Verfahren können deshalb auf der
Grundlage der beobachteten Zusammenhänge plausible Annahmen über die Verteilung
der fehlenden Werte hergeleitet werden, die wiederum genutzt werden, um
zusätzliche Informationen über die Beziehungen zwischen den Variablen zu
erhalten. Beide Schritte werden solange wiederholt, bis ein Konvergenzkriterium
erreicht ist.
Anschließend ist es möglich, den
unvollständigen Datensatz durch die Ziehung von Ersatzwerten aus diesen
Verteilungen zu ergänzen und diesen vervollständigten Datensatz mit den
gängigen statistischen Verfahren zu analysieren. Wiederholt man die Ziehung von
Ersatzwerten (Imputation) mehrmals, so ergibt sich eine ganze Serie von
ergänzten Datensätzen, die separat analysiert werden können. Je mehr
Informationen über die fehlenden Werte sich aus den tatsächlich beobachteten
Werten ableiten lassen, desto stärker ähneln diese Datensätze einander.
Parameterschätzungen und Standardfehler aus den separaten Analysen – in der
Regel werden zwischen drei und zehn imputierte Datensätze erzeugt – werden nach
zwei einfachen Regeln miteinander kombiniert (King et al. 2001). Auf diese
Weise erhält man Modellschätzungen, die einerseits alle tatsächlich vorhandenen
Informationen nutzen und deshalb unverzerrt sind, zugleich aber die zusätzliche
Unsicherheit, die aus dem Fehlen einiger Meßwerte resultiert, durch größere
Standardfehler berücksichtigen.
Für unsere eigenen Berechnungen haben mit dem
von Schafer (1997) entwickelten Programm NORM fünf vervollständigte Datensätze
generiert.[12] Bei den im
nächsten Kapitel wiedergegebenen Ergebnissen handelt es sich um die
kombinierten Parameterschätzungen aus den fünf separaten Analysen. Die
Signifikanz der Pfadkoeffizienten wird auf der Grundlage der kombinierten
Standardfehler bestimmt. Dabei orientieren wir uns am konventionellen
Fünf-Prozent-Niveau.
4. Ergebnisse
Aus Gründen der Übersichtlichkeit haben wir
darauf verzichtet, die Parameterschätzungen in das in Abbildung 2 wiedergegebene
Strukturmodell einzutragen. Statt dessen weisen wir alle Zusammenhänge in
tabellarischer Form aus. Bei der Präsentation der Ergebnisse orientieren wir
uns an dem von Scheuch und Klingemann vorgeschlagenen kausalen Ablauf.
Variablenpaar |
Pearson’s r |
Bildung Ñ Geschlecht |
-,- |
Bildung Ñ Arbeiter |
-0,58 |
Bildung Ñ Materialismus |
-0,39 |
Geschlecht Ñ Arbeiterschicht |
-,- |
Geschlecht Ñ Materialismus |
-,- |
Arbeiterschicht Ñ Materialismus |
0,30 |
Tabelle
1: Korrelationen zwischen den exogenen Variablen
Tabelle 1 zeigt zunächst die Korrelationen
der exogenen Variablen untereinander. Diese entsprechen weitgehend den Erwartungen.
Zwischen dem Geschlecht einerseits und der formalen Bildung, der Schichtzugehörigkeit
und der Orientierung an materialistischen Werten andererseits gibt es keine statistisch signifikanten
Zusammenhänge. Ein mit r=0,30 deutlich positiver Zusammenhang besteht jedoch
zwischen der Schichtzugehörigkeit und der Zugehörigkeit zur Gruppe der
Materialisten. Noch etwas stärker ist der negative Zusammenhang zwischen
formaler Bildung und materialistischen Wertorientierungen. Beide Ergebnisse
sind plausibel und decken sich mit den Befunden früherer Studien zum Zusammenhang
zwischen Sozialstruktur und Wertorientierungen. Ebenfalls plausibel ist der
starke negative Zusammenhang zwischen Schichtzugehörigkeit und formaler
Bildung.
Variablen |
std. Pfadkoeffizient |
r2 Ñ 100 |
Geschlecht è ASKO |
-,- |
|
Bildungè ASKO |
-0,30 |
|
Arbeiterschichtè ASKO |
0,14 |
|
Materialismus è ASKO |
0,32 |
|
ASKO |
|
36,4 |
Tabelle
2: Einfluß der exogenen Variablen auf die Rigidität der Befragten
Interessanter als diese Korrelationen ist für
unsere Fragestellung jedoch der Einfluß[13]
der exogenen Variablen, die für die von Scheuch und Klingemann angesprochenen
Wertekonflikte stehen, auf das mittels der ASKO-Skala gemessene Persönlichkeitsmerkmal
„Rigidität“. Geht man davon aus, daß diese Variablen tatsächlich als valide
Approximation an die von Scheuch und Klingemann beschriebenen Prozesse gelten
können, so sprechen unsere Ergebnisse eindeutig für die Hypothese der Autoren:
Bildung hat einen deutlich negativen, Materialismus im Sinne Ingleharts einen
ebenso deutlich positiven Einfluß auf die gemessene Rigidität. Statistisch noch
signifikant von null verschieden, wenn auch sehr schwach ist hingegen der
Effekt, der von der selbstdeklarierten Zugehörigkeit zur Arbeiterschicht
ausgeht. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß es sich bei unseren
Ergebnissen um simultane Schätzungen handelt. Der Koeffizient beschreibt
deshalb den reinen Effekt der Schichtzugehörigkeit auf die gemessene Rigidität
unter statistischer Kontrolle der übrigen Variablen. Gemeinsam erklären die
exogenen Variablen rund 36 Prozent der Varianz der Rigidität. In Anbetracht der
Tatsache, daß es sich hier um den Einfluß von Proxy-Variablen auf einen
Summenindex handelt, dessen Einzelitems jeweils einen (im Modell nicht
spezifizierten) Meßfehler aufweisen, ist dies ein durchaus zufriedenstellendes
Ergebnis.
Variablen |
std. Pfadkoeffizient |
r2 Ñ 100 |
ASKO è Nationalismus |
0,61 |
37,6 |
ASKO è
Antisemitismus |
0,69 |
48,0 |
ASKO è
Pro-Nationalsozialismus |
0,64 |
40,6 |
ASKO è Ausländerfeindlichkeit |
0,76 |
58,2 |
ASKO è Antipluralismus |
0,31 |
9,8 |
ASKO è Anti-Demokratie |
0,49 |
24,2 |
Tabelle
3: Einfluß der Rigidität auf extremistische Einstellungen
Auch die positiven Zusammenhänge zwischen der
mittels der ASKO-Skala gemessenen Rigidität und den extremistischen
Einstellungen entsprechen den von Scheuch und Klingemann aufgestellten
Hypothesen (vgl. Tabelle 3). Rigidität scheint dabei in erster Linie für die
Entstehung spezifisch rechtsextremer
Einstellungen verantwortlich zu sein: Während die Einflüsse auf
antipluralistische und antidemokratische Attitüden relativ schwach sind,
bestehen zwischen Rigidität einerseits und Nationalismus, Antisemitismus, der Befürwortung
des Nationalsozialismus und insbesondere der Ausländerfeindlichkeit andererseits
starke Zusammenhänge. Im Mittel läßt sich knapp die Hälfte der Varianz dieser
Einstellungen auf das Persönlichkeitsmerkmal Rigidität zurückführen, was die
Überlegungen Scheuchs, Klingemanns und etlicher älterer Autoren zum Zusammenhang
zwischen einem geschlossenen Denkstil und der Anfälligkeit für rechtsextreme
Ideologiefragmente eindrucksvoll bestätigt.
Variablen |
std. Pfadkoeffizient |
r2 Ñ 100 |
Nationalismus è REX-Parteisympathie |
-,- |
|
Antisemitismus è REX-Parteisympathie |
-,- |
|
Pro-Nationalsozialismus è REX-Parteisympathie |
0,42 |
|
Ausländerfeindlichkeit è REX-Parteisympathie |
0,23 |
|
Antipluralismus
è REX-Parteisympathie |
-,- |
|
Anti-Demokratie
è REX-Parteisympathie |
0,12 |
|
REX-Parteisympathie |
|
33,8 |
Tabelle
4: Einfluß extremistischer Einstellungen auf die Affinität zu den
Rechtsparteien
Ein differenziertes Bild ergibt sich auch für
den Einfluß der extremistischen Einstellungen auf die Affinität zu DVU und Republikanern:
Nationalismus, Antisemitismus und Antipluralismus haben in multivariater
Betrachtungsweise keinen signifikant von null verschiedenen Effekt. Eine
positive Einstellung zum Nationalsozialismus, ein negatives Verhältnis zu Ausländern
und – mit Einschränkungen – eine Ablehnung der Demokratie führen hingegen
tendenziell zu einer Annäherung an die Parteien der extremen Rechten. Die
Zusammenhänge sind allerdings nicht allzu stark ausgeprägt, was ebenfalls der
Argumentation von Scheuch und Klingemann entspricht: Wie u.a. frühere Studien
von Falter (1994) gezeigt haben, wenden sich längst nicht alle Bürger mit
rechtsextremen Einstellungen auch den rechten Flügelparteien zu. Entscheidend
sind hier vermutlich die von Scheuch und Klingemann benannten Randbedingungen,
die in unserem auf die Mikro-Ebene beschränkten Modell nicht berücksichtigt
werden konnten, insbesondere das programmatische und personelle Angebot der
Rechtsparteien sowie die Fähigkeit der bürgerlichen Parteien, Wähler am rechten
Rand des Elektorats zu binden.
Variablen |
std. Pfadkoeffizient |
r2 Ñ 100 |
REX-Parteisympathie è REX-Wahl |
0,91 |
82,6 |
Tabelle
5: Affinität zu den Rechtsparteien und Wahlentscheidung
Sehr eng hingegen ist der Zusammenhang
zwischen der Affinität zu den rechten Parteien und einer Wahlentscheidung zu
ihren Gunsten, wie in Tabelle 5 zu erkennen ist: Wenn ein Bürger eine Partei am
rechten Rand sehr sympathisch findet, wird er ihr mit großer Sicherheit auch
seine Stimme geben. Insgesamt erzielt das Modell eine Anpassung an die empirischen
Daten, die mit einem RMSEA von 0,075 zwar nicht perfekt ist, angesichts der notwendigen
Hilfsannahmen und des ordinalen Charakters unserer Instrumente aber als
durchaus befriedigend gelten kann.
5. Fazit
Ausgangspunkt unseres Beitrages war die
Feststellung, daß es bis zum heutigen Tag keine umfassende, empirisch
gehaltvolle und allgemein anerkannte Theorie gibt, die den Erfolg
rechtsextremer Parteien in modernen Gesellschaften erklären könnte. Die vor
rund 35 Jahren von Hans-Dieter Klingemann und Erwin K. Scheuch entwickelte
„Theorie des Rechtsradikalismus in westlichen Industriegesellschaften“ hätte
aus unserer Sicht jedoch das Potential, diese Lücke zu schließen. Von anderen
theoretischen Ansätzen auf diesem Gebiet unterscheidet sie sich vor allem durch
die systematische Integration von Mikro- und Makro-Faktoren. Deshalb wäre sie
als analytischer Rahmen für die international vergleichende Rechtsextremismusforschung
besonders geeignet.
Da in den gängigen Rechtsextremismusstudien
in der Regel keine Persönlichkeitsmerkmale untersucht werden, die im Ansatz von
Scheuch und Klingemann eine zentrale Rolle spielen, wurde die
Scheuch-Klingemann-Hypothese bislang jedoch kaum jemals empirisch untersucht.
Ziel unserer Analysen war es deshalb, mittels der uns zur Verfügung stehenden
Daten aus einer aktuellen Bevölkerungsumfrage die grundsätzliche Anwendbarkeit
der Theorie zu prüfen. Aufgrund der Datenlage mußten wir uns dabei auf die
Umsetzung des von Scheuch und Klingemann skizzierten Mikro-Modells beschränken.
Insofern handelt es sich bei unserem Beitrag nicht um einen stringenten
empirischen Test der Theorie, sondern eher um den Versuch, deren Möglichkeiten
für eine zukünftige Anwendung auszuloten.
Richtung und Stärke der von uns beobachteten
Effekte sprechen eindeutig für die Gültigkeit der von Scheuch und Klingemann
formulierten Hypothesen über die Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen
Konflikten, dem Persönlichkeitsmerkmal „Rigidität“ und dem Auftreten
rechtsextremer Einstellungen. Die Rechtsextremismusforschung sollte deshalb den
Ansatz von Scheuch und Klingemann nicht nur im Munde führen, sondern ihn tatsächlich
empirisch aufgreifen, ihn systematisch weiterentwickeln und ihn insbesondere
bei der Konzeption internationaler Studien stärker berücksichtigen.
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7. Anhang: Items zur Messung von
Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmalen
a) Die Items der ASKO-Skala:
„Bitte sagen Sie bei den folgenden
Begriffspaaren jeweils, was Ihnen auf den ersten Blick rein gefühlsmäßig
sympathischer ist - auch wenn es sich nicht immer um Gegensätze handelt“:
·
stetiger
Wandel oder fest gefügte Verhältnisse
·
neue
Ideen oder altbewährte Anschauungen
·
überraschende
Situationen oder klare, eindeutige
Verhältnisse
·
Ruhe
und Ordnung oder Bewegung und Neuerungen
·
Einordnung
und Unterordnung oder Aufbegehren
·
Veränderungsfreudigkeit
oder Traditionsverbundenheit
·
feste
Regeln oder Improvisation
·
neue,
bisher unbekannte Dinge oder bekannte Dinge
· Erhaltung des Althergebrachten oder Reformen
b) Antidemokratische und antipluralistische
Einstellungen
„Bitte sagen Sie nun noch bei den folgenden
Feststellungen, ob sie Ihrer Meinung nach eher zutreffen (richtig) oder eher
nicht zutreffen (falsch).“
c) Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus,
Nationalismus und Befürwortung des Nationalsozialismus
„Bitte sagen Sie nun noch bei den folgenden
Feststellungen, ob sie Ihrer Meinung nach eher zutreffen (richtig) oder eher
nicht zutreffen (falsch).“
[1] Die politischen Richtungsbegriffe
„links“ und „rechts“ und ihr Verhältnis zum Begriff des politischen Extremismus
bedürfen im Grunde der Diskussion in einem eigenen Beitrag. Stark vereinfachend
läßt sich festhalten, daß in der deutschsprachigen Literatur zu diesem Thema
lange Zeit die u.a. von Uwe Backes (1989: 252) vertretene „Hufeisentheorie“
dominierte. Nach diesem stark von den politischen Verhältnissen in der alten
Bundesrepublik geprägten Ansatz lassen sich die politischen Positionen der
Parteien und ihrer Wähler durch die jeweilige Position auf einer einzigen
Dimension, dem Links-Rechts-Kontinuum, adäquat beschreiben. Positionen am
rechten Rand dieses Kontinuums sind mit einer Ablehnung des Prinzips der Gleichheit verbunden, Positionen am
linken Rand betonen das Gleichheitsprinzip so stark, daß sie in Konflikt mit
dem demokratischen Prinzip der Freiheit geraten. Extremismus, verstanden als
Ablehnung demokratischer Prinzipien, kann deshalb nur an den Rändern des
politischen Spektrums auftreten. Projiziert man die möglichen Positionen einer
Person auf der Links-Rechts-Achse einerseits, ihre Nähe oder Distanz zu den
Prinzipien des demokratischen Rechtsstaates andererseits auf eine Ebene, so
ergibt sich eine U-förmige Kurve, der die Theorie ihren Namen verdankt.
In der
angelsächsischen Literatur (u.a. Lipset 1960, Lipset und Raab 1971, in jüngerer
Zeit Kitschelt 1995) findet sich hingegen häufiger die Vorstellung, daß
politische Ziele und Einstellungen durch zwei voneinander unabhängige wirtschafts- bzw. gesellschaftspolitische Dimensionen
beschrieben werden sollten. Für beide Sichtweisen gibt es gute Gründe, die wir
hier aber nicht weiter diskutieren wollen, da sich unsere eigene Analyse strikt
an der ursprünglichen Konzeption von Scheuch und Klingemann orientiert.
[2] Die Theorie von Scheuch und Klingemann
sollte prinzipiell auch Erfolge linksextremer Bewegungen erklären können
(Scheuch/Klingemann 1967: 19, 22). Ohnehin ist die inhaltliche Abgrenzung
beider Extremismen nach dem Ende des Kalten Krieges noch problematischer
geworden, als dies in früheren Jahrzehnten ohnehin schon der Fall war
(Scheuch/Klingemann 1967: 12): Postkommunistische Parteien bemühen sich häufig
um die „Wiederherstellung vergangener Organisationsformen und Werte“ und bieten
„Erklärungsschemata und Idealbilder aus der ... konkreten Vergangenheit einer
bestimmten Gesellschaft an“ (Scheuch/Klingemann 1967: 23). Damit handelt es
sich bei ihnen nach der ursprünglichen Definition der Autoren um rechtsradikale
Bewegungen. Da wir uns aufgrund der Datenlage aber auf die westdeutsche
Teilgesellschaft beschränken müssen, in der derzeit nur der klassische
Rechtsextremismus von Bedeutung ist, spielt diese Problematik für unsere
Untersuchung keine Rolle.
[3] Parallelen zu den Anomie-Konzepten von
Durkheim und Merton sind an dieser Stelle unübersehbar.
[4] Auf die Darstellung der oben
angesprochenen Rückkoppelungen zwischen Wahlerfolgen und Rahmenbedingungen
wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet.
[5] Vgl. aber in diesem Zusammenhang das von
Hans-Dieter Klingemann mit initiierte Forschungsprogramm „Comparative Study of
Electoral Systems“.
[6] Scheuch und Klingemann (1967: 19)
rechnen die „Denk- und Orientierungsstile“, auf die sie sich beziehen, noch
nicht der Persönlichkeit zu. Für unsere Argumentation spielt die von den
Autoren getroffene Unterscheidung zwischen kognitiven Stilen und
Persönlichkeitsmerkmalen im engeren Sinne aber keine wesentliche Rolle.
[7] ASKO steht für „Affinität zu Stabilen
Kognitiven Strukturen“.
[8] Weder die Thyssen-Stiftung, die das
Projekt finanziell gefördert hat, noch Siegfried Schumann, dem wir an dieser
Stelle nochmals herzlich für die Überlassung der Daten danken wollen, sind in
irgendeiner Form für die nachstehend berichteten Ergebnisse verantwortlich.
[9] Die formale Bildung geht als ordinale
Variable mit den drei Ausprägungen „kein Abschluß oder Hauptschulabschluß“,
„mittlere Reife und vergleichbare Abschlüsse“ sowie „Abitur und vergleichbare
Abschlüsse“ in unser Modell ein.
[10] Generell ist eine Prüfung kausaler
Zusammenhänge mit Umfragedaten kaum möglich, weil von wenigen Ausnahmen
abgesehen die zeitliche Reihenfolge von hypothetischer Ursache und vermuteter
Wirkung nicht eindeutig festgelegt werden kann. Außerdem besteht in aller Regel
nicht die Möglichkeit einer umfassenden Drittvariablenkontrolle durch
Randomisierung.
[11] ADF steht
für „Asymptotically Distribution Free“. Voraussetzung
für eine stabile ADF-Schätzung sind „große“ Stichproben. Angaben dazu, wie groß
die Stichprobe konkret sein muß, finden sich in der Literatur allerdings selten.
[12] Die Imputation wurde mit den Rohdaten
vorgenommen. Um den ordinalen Charakter der Daten zu berücksichtigen, wurden
die ergänzten Werte entsprechend der Empfehlung von Schafer zum nächsten real
vorkommenden Wert hin auf- oder abgerundet. Sämtliche Summenindizes wurden
anschließend auf der Grundlage der vervollständigten Daten konstruiert.
[13] Zum Problem der kausalen Interpretation
von Umfragedaten vgl. FN 10.